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Die Schande von Lesbos

8.3.2021

Iris Jänicke, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Lüdenscheid-Plettenberg
Iris Jänicke, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Lüdenscheid-Plettenberg

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

als ich am vergangenen Montag auf dem Weg zur Arbeit war, sah ich am Straßenrand und an Fußgängerampeln ein mittlerweile ungewohntes Bild: Grundschulkinder mit Schulranzen auf dem Rücken, oft in Begleitung eines Elternteils, hüpfend und plappernd und lachend auf dem Weg in die Schule. Offensichtlich war die Freude groß, ihre Lehrerinnen und Lehrer wieder zu sehen, ganz zu schweigen von den Klassenkameraden und besten Freundinnen. Ganz egal, wie man zum sogenannten Lockdown steht – für die Kinder freut es mich, dass zumindest  die Kitakinder und Grundschüler wieder ein Stück Alltagsnormalität leben dürfen.

Auf der Homepage der Diakonie Deutschland lese ich nur wenige Tage später folgende Nachricht: Im Lager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos leben etwa 2.600 Kinder. Schule? Fehlanzeige.  Schule ist für diese Kinder ein unerreichbarer Sehnsuchtsort, Sicherheit ein Fremdwort und das ganze Leben ein einziges, furchterregendes,  eiskaltes Risiko voller Gewalt und ohne Hoffnung. Viele Kinder haben aufgehört zu spielen. Wo auch? In Sturm und Regen? Im Schlamm? Im eisigen Nordwind in einem überschwemmten Zelt? Es ist ein Elend, hier ein Kind zu sein. Der CDU-Politiker Volker Kauder fand zu Beginn der Fastenzeit klare Worte, so eine Pressemeldung des „Spiegel“ online vom 16.2.21:  „Die Zustände in den griechischen Flüchtlingseinrichtungen sind mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar. Das muss für uns wie eine Ohrfeige sein, wenn Gerichte feststellen, dass man Menschen nicht dorthin zurückschicken kann, weil die Situation unerträglich ist. Wenn Flüchtlingslager etwa wie auf Lesbos das Ergebnis sind, dann hat dieses Europa seine Seele verloren.“

Bundesländer und Kommunen signalisieren genauso wie die Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände Aufnahmebereitschaft und sichern Unterstützung zu. Die Europäische Union könnte helfen, ebenso der Innenminister. Es ist eine Frage des politischen Willens. Dass nichts passiert, ist eine Schande für uns alle und eine Katastrophe für die Kinder. Da fällt mir der ökumenische Monatsspruch für den März aus Lukas 19,40 ein: Jesus antwortete und sprach: Ich sage euch: wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Das Elend der Kinder in den Flüchtlingslagern ist in der Tat zum Steinerweichen. Wir dürfen das nicht länger hinnehmen.

Ihre

Iris Jänicke

 

 

 

 

 

 

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